Multimodale Schmerztherapie

Die multimodale Schmerztherapie – Ihre wichtigsten Fragen

Chronische Schmerzen haben häufig mehr als eine Ursache. Auch die Folgebeschwerden sind komplex. Die multimodale Schmerztherapie bezieht deshalb unterschiedliche Behandlungsansätze ein. Welche das sind und wie sie bei wiederkehrenden und dauerhaften Schmerzen helfen können, erfahren Sie auf dieser Seite.

Was ist die multimodale Schmerztherapie?

Bei der multimodalen Schmerztherapie werden verschiedene Behandlungsansätze kombiniert, um auf diese Weise auch die Ursachen und Folgeerscheinungen der Beschwerden in die Behandlung einzubeziehen. Diese sind häufig komplex und lassen sich nicht unbedingt nur mithilfe einer konventionellen Therapiemethode wie der Einnahme von Medikamenten oder durch eine Operation beheben.

Wann eine multimodale Schmerztherapie geeignet ist

Vielleicht haben Sie bereits Erfahrungen mit unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten gemacht. Schmerzpatient:innen erhalten häufig Medikamente, die die Symptome lindern sollen, sowie Antidepressiva, falls der chronische Schmerz die Psyche beeinträchtigt. Auch physiotherapeutische Hilfe wird oft verordnet, wobei die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. kritisiert, dass es sich dabei in der Regel um passive Maßnahmen handelt, also Behandlungen, die Physiotherapeut:innen durchführen, beispielsweise Wärme- oder Kälteanwendungen, Massagen und Elektrotherapie. (1)

Wenn Sie bereits seit Langem unter chronischen Schmerzen leiden, sind Sie möglicherweise auch ein oder mehrmals operiert worden. Besonders bei Schmerzen des Bewegungsapparates ist die Tendenz zu operativen Eingriffen groß, was auch am Aufbau des deutschen Gesundheitswesens liegt. So werden in Deutschland unter anderem sehr viel häufiger Operationen am Rücken durchgeführt als beispielsweise in England, Frankreich oder Italien. (2) Die Zahl der Wirbelsäulen-Operationen steigt – ebenso wie die Zahl der Patient:innen, die nach den Eingriffen dennoch weiter unter Schmerzen leiden.1,3 Schätzungen der Techniker Krankenkasse zufolge sind 85 Prozent der Operationen aufgrund von Rückenleiden überflüssig. (3)

Die multimodale Schmerztherapie: interdisziplinär und individuell

Hier setzt die multimodale Schmerztherapie an: Sie kombiniert verschiedene Methoden der Behandlung; darunter die medikamentöse Therapie, Physiotherapie und invasive Eingriffe sowie psychologische Therapieansätze. Hierzu zählen die kognitive Verhaltenstherapie, Termine bei Psychotherapeut:innen, das Erlernen von Entspannungstechniken und Techniken zur Stressbewältigung. Die psychotherapeutische Begleitung ist deshalb besonders wichtig, weil man heute davon ausgeht, dass chronische Schmerzen häufig eine psychosoziale Komponente haben: Neben körperlichen Ursachen können auch mentale, seelische und soziale Einflüsse die Schmerzen auslösen oder verstärken. (1)

Digitale Gesundheitsanwendung bei chronischen Schmerzen

Auch Digitale Gesundheitsanwendungen, die sofort zugänglich sind und eigenständig angewendet werden, sind eine Behandlungsoption. Die Kosten dieser sogenannten DiGA werden nach Verordnung durch Ärzt:innen von den Krankenkassen übernommen. Sie haben auch die Möglichkeit, direkt bei Ihrer Krankenkasse dazu nachzufragen. Der Online-Kurs von Selfapy bietet Unterstützung bei chronischen Schmerzen und Rückenschmerzen, ist flexibel durchführbar und kostenfrei auf Rezept erhältlich.

Die Zusammenstellung multimodaler Therapiemaßnahmen kann individuell erfolgen, das heißt, die Behandlung wird auf die Beschwerden, Bedürfnisse und den Lebensstil der jeweiligen Patient:innen zugeschnitten. Entscheidend für den Erfolg einer multimodalen Schmerztherapie ist, dass die Patientin bzw. der Patient aktiv am Genesungsprozess mitwirkt.

Der multimodale Therapieansatz arbeitet fachübergreifend und wird von ärztlichen Fachgesellschaften empfohlen. (4) So rät beispielsweise die „Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz“ zur multimodalen Schmerztherapie, wenn Beschwerden trotz leitliniengerechter Versorgung über zwölf Wochen hinaus anhalten und die Lebensqualität einschränken. (5) Hier finden Sie eine leicht verständliche Version der Leitlinie.

Neben Patient:innen mit chronischen Schmerzen profitieren auch Patient:innen mit psychischen und psychosomatischen Beschwerden von einer multimodalen Therapie.

Multimodale Therapie bei chronischen Schmerzen

Die „Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz“, herausgegeben von der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, empfiehlt, Schmerzbehandlungen unter verschiedenen Aspekten anzugehen, sobald das Risiko besteht, dass Schmerzen zu einer dauerhaften Belastung werden. (5) So sollten frühzeitig unterschiedliche Fachärzt:innen und Therapeut:innen einbezogen und psychosoziale Faktoren berücksichtigt werden. (5) Im Folgenden stellen wir die Empfehlungen für eine multimodale Therapie vor.

 

Die wichtigsten Grundsätze der Empfehlung sind: (5)

Patient:innen sollten nicht unnötig vielen Diagnoseversuchen ausgesetzt werden.

Sobald lebensbedrohliche oder anderweitig gefährliche Ursachen für die Schmerzen ausgeschlossen werden können, soll auf weitere Diagnostik verzichtet werden. Hintergrund ist, dass es Bedenken gibt, ob bei dauerhaften oder wiederkehrenden Schmerzen die Diagnose mithilfe von Geräten (wie einem Röntgenapparat oder einem MRT-System) sinnvoll Aufschluss über die Auslöser und Verstärker der Beschwerden geben kann. (1)

Sollten die Beschwerden allerdings nicht innerhalb von vier bis sechs Wochen abklingen und die Lebensqualität der Patient:innen stark beeinträchtigen, kann geprüft werden, ob der Einsatz bildgebender Verfahren (z. B. Ultraschall, Computertomografie oder Röntgen) sinnvoll ist, um den Auslösern der Schmerzen auf den Grund zu gehen. Von der mehrfachen Verwendung solcher bildgebenden Diagnoseverfahren wird jedoch abgeraten, wenn sich die Beschwerden nicht verändern.

Die gesellschaftliche und psychische Umgebung der Patient:innen spielt von Anfang an eine wichtige Rolle.

Ärzt:innen wird geraten, bereits beim ersten Gespräch mit Patient:innen mögliche Belastungen im Familien- oder Freundeskreis, am Arbeitsplatz oder in der Schule sowie andere psychische Sorgen anzusprechen. So soll verhindert werden, dass Schmerzen chronisch werden. Hier können hausärztliche Praxen mit Fragebögen arbeiten.

Muskeln und Gelenke benötigen Bewegung.

Wer Schmerzen hat, neigt dazu, die betroffenen Regionen zu schonen. Das ist jedoch kontraproduktiv: Bewegung stärkt die Muskulatur, sorgt für eine bessere Durchblutung, hebt das psychische Wohlbefinden und kann helfen, Kräfte zu mobilisieren, die die Schmerzen lindern. Deshalb steht die „körperliche Aktivierung“ der Patient:innen im Fokus der multimodalen Schmerztherapie. Oder wie die Leitlinie es ausdrückt: Bewegung statt Bettruhe.

Schmerzmittel ersetzen keine umfassende Therapie.

Beim Einsatz von Medikamenten zur Schmerzlinderung empfiehlt die Leitlinie: „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Sie sollen die Therapie unterstützen, aber nur kurz und so gering dosiert, wie möglich eingenommen werden. Außerdem sollte das für den jeweiligen Betroffenen passende Medikament ausgewählt werden; der Vorzug liegt hierbei auf nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), die Sie u. a. als ASS, Ibuprofen oder Diclofenac kennen.

Passive Behandlungen sollten nur in Verbindung mit aktiver Physiotherapie angewendet werden.

Massagen, Akupunktur, Wärme- oder Kältebehandlungen: Diese Maßnahmen werden von Physiotherapeut:innen durchgeführt. Die Patientin bzw. der Patient bleibt während der jeweiligen Behandlung passiv. Die Leitlinie rät, solche Methoden nur in Verbindung mit aktivierenden Maßnahmen einzusetzen. Bewegungstherapien sind ausdrücklich u. a. auch für Patient:innen mit dauerhaften Rückenschmerzen empfohlen. Dies ist jedoch sehr individuell und sollte daher immer mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgeklärt werden.

Hier finden Sie eine vollständige, leicht verständliche Fassung der „Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz“.

Häufig gestellte Fragen rund um die multimodale Schmerztherapie

Hier beantworten wir häufige Fragen zur multimodalen Schmerztherapie, beispielsweise: Findet die multimodale Schmerztherapie stationär oder ambulant statt? Wie sieht es mit der Kostenübernahme aus? Wie läuft eine solche Therapie ab?

Kann die multimodale Schmerztherapie ambulant durchgeführt werden?

Ja. Meist dauert die ambulante Therapie länger als eine stationäre. Sie besuchen eine Schmerzklinik oder Klinik für Psychosomatik für mehrere Stunden unter der Woche, verbringen aber nicht die Nächte oder Wochenenden dort. Ambulante multimodale Schmerztherapien können in Einzelsitzungen oder innerhalb einer Gruppentherapie stattfinden.  

Was sind die Voraussetzungen für eine stationäre Schmerztherapie?

Sie können die multimodale Schmerztherapie voll- oder teilstationär, das heißt, teils in einer Klinik, teils ambulant, durchführen. Für die stationäre Schmerztherapie gelten bestimmte Voraussetzungen:

  • Es müssen medizinische Gründe für die multimodale Schmerztherapie vorliegen.
  • Ihre Ärztin bzw. Ihr Arzt muss die Therapie mit einer Krankenhauseinweisung verordnen.

Es ist außerdem erforderlich, dass mindestens drei der folgenden Kriterien auf Ihren Fall zutreffen:

  • Ihre Lebensqualität wird durch die chronischen Schmerzen beeinträchtigt.
  • Bisher durchgeführte ambulante Maßnahmen der multimodalen Schmerztherapie waren nicht erfolgreich.
  • Medikamentenmissbrauch oder -abhängigkeit
  • Eine schwerwiegende Krankheit erschwert die ambulante Therapie oder macht sie unmöglich.
  • Ihre Krankenkasse hat die stationäre Therapie gebilligt.

Auch wenn die Verschreibung sowie die Kostenübernahme Sache der Ärzt:innen sowie der Krankenkassen ist: Eine wichtige Voraussetzung ist, dass Sie sich einen multimodalen Behandlungsansatz wünschen. Für eine erfolgreiche Therapie ist es wichtig, dass Sie mitarbeiten und das in den verschiedenen Behandlungen Erlernte umsetzen. Deshalb sollten Sie Ihre Bedürfnisse genau kommunizieren, bevor Sie eine multimodale Schmerztherapie beginnen.

Wer übernimmt die Kosten für eine multimodale Schmerztherapie?

Die Kostenübernahme liegt bei den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Sie benötigen eine Bestätigung, dass Ihre Krankenkasse die Kosten trägt. Beachten Sie dabei, dass Sie im Falle einer stationären multimodalen Schmerztherapie pro Tag zehn Euro Zuzahlung leisten müssen. Diese Regelung ist allerdings beschränkt auf maximal 28 Tage pro Jahr.

Wo findet die stationäre multimodale Schmerztherapie statt?

Idealerweise in einem auf diese Behandlung spezialisierten Schmerzzentrum. Diese haben häufig unterschiedliche Schwerpunkte, sodass Sie eine Klinik wählen können, die sich mit Ihren Beschwerden besonders auskennt – ganz gleich, ob dies Migräneattacken, Kniebeschwerden oder Rückenschmerzen sind.

Wie läuft eine multimodale Schmerztherapie ab?

Die unterschiedlichen Spezialist:innen, die in Ihre Therapie involviert sind, stimmen die multimodalen Behandlungen genau aufeinander ab. Dazu finden täglich Arztgespräche und Besprechungen des behandelnden Teams statt.

Ziel der multimodalen Therapieverfahren ist, Sie aktiv zu involvieren. Dazu wird ein individueller Therapieplan erstellt, der Ihre Bedürfnisse, Ziele, Beschwerden und Belastungen über die Schmerzen hinaus sowie den bisherigen Behandlungsverlauf einbezieht. Teil der multimodalen Schmerztherapie sind beispielsweise …

  • die medikamentöse Schmerzbehandlung,
  • aktive und passive Physiotherapie,
  • Ergotherapie,
  • Psychotherapie,
  • Kunst- oder Musiktherapie,
  • das Erlernen von Entspannungstechniken,
  • unterschiedliche Trainings, die Sie auf den Alltag nach der Behandlung vorbereiten sollen, bzw. die Ihnen helfen können, mit den Beschwerden zu leben. [LINK zu 3.21] Dazu gehören z. B. ein Arbeitsplatztraining oder Stressmanagement.

Sie erhalten nie nur eine dieser Maßnahmen, sondern immer eine Zusammenstellung verschiedener Bausteine aus diesen Therapieangeboten – das ist Sinn und Zweck der multimodalen Schmerztherapie.

Wo erhalte ich weitere Informationen oder Beratung zur multimodalen Schmerztherapie?

Auf der Website https://www.hilfefuermich.de/schmerz finden Sie mögliche Anlaufstellen, weiterführende Links sowie Informationen zu Diagnose und Therapie chronischer Schmerzen. 

 

Quellen:
(1) Deutsche Schmerzgesellschaft. Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie. Online unter https://www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/patienteninformationen/netzwerke-der-versorgung/interdisziplinaer-multimodale-schmerztherapie. Zuletzt abgerufen am 03.03.2023.
(2) Martin Marianowicz. Den Rücken selbst heilen. GU Verlag, 2015. S. 16.
(3) Ebd. S. 17.
(4) Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM). S1-Leitlinie Chronischer Schmerz (zurzeit in Überarbeitung, Stand: März 2023). Online unter https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-036. Zuletzt abgerufen am 03.03.2023.
(5) Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, 2. Auflage (zurzeit in Überarbeitung, Stand: März 2023). Online unter https://www.leitlinien.de/themen/kreuzschmerz. Zuletzt abgerufen am 03.03.2023.