Angehörige von Schmerzpatienten

Wenn der Schmerz Menschen verändert: Welche Hilfe gibt es für Angehörige von Schmerzpatient:innen?

Den Schmerz anderer können Angehörige nicht spüren. Aber sie merken die indirekten Auswirkungen – angefangen beim schmerzverzerrten Gesicht bis hin zu Gereiztheit, Traurigkeit, Konzentrationsstörungen, Erschöpfung und Rückzug. Vieles im Leben ändert sich, wenn Schmerzen lange andauern oder sogar chronisch werden. Als Angehörige sind sie mitbetroffen.

Die Erkrankung von Partner:innen, Eltern, Geschwistern oder Kindern stellt Familienmitglieder vor viele Fragen: Gibt es Grundregeln im Umgang mit Schmerzpatient:innen? Wie kann man am besten mit depressiven Menschen umgehen? Und wo finden Angehörige von Schmerzpatient:innen Hilfe?

In diesem Artikel finden Sie Antworten auf häufige Fragen zum Leben mit Schmerzpatient:innen.

Leben mit Schmerzpatient:innen: Was kann ich tun, wenn mir alles über den Kopf wächst?

Die chronische Schmerzerkrankung belastet nicht nur Betroffene selbst, sondern auch alle, die ihnen nahestehen. (1) Die Partnerschaft verändert sich oder auch das Verhältnis zu Eltern oder Kindern. Angehörige fühlen sich oft überfordert, rat- und hilflos. (1) Wie reagiere ich, wenn ein Familienmitglied Schmerzen hat? Was kann ich tun, um ihm zu helfen und ihm etwas Last abzunehmen? Wie gehe ich mit meinen eigenen Bedürfnissen um?

Das Leiden der Patient:innen mit chronischen Schmerzen färbt auch auf ihre Umgebung ab. Gereiztheit und Frustration, die völlig verständlich sind, übertragen sich auch auf das Leben der Familie. Der Alltag ändert sich, viele Aktivitäten, die man früher gemeinsam unternommen hat, sind nicht mehr möglich, zum Beispiel Reisen, lange Spaziergänge oder Museumsbesuche. Hinzu kommt, dass Betroffene unter Umständen mehr Hilfe brauchen.

Das spürt auch Ihr Familienmitglied: Laut Zahlen der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. glauben fast 40 Prozent aller Patient:innen mit chronischen Schmerzen, dass die Erkrankung ihr Familienleben und auch Freundschaften beeinträchtigt. (2)

Digitale Schmerztherapie

Gegenseitiges Verständnis und miteinander zu reden sind die Schlüssel für ein harmonisches Zusammenleben trotz der chronischen Schmerzen. Versuche, den anderen zu verstehen und auch als Angehörige:r ernst genommen zu werden, sind in dieser Situation für die ganze Familie wichtig. Scheuen Sie sich nicht, auch professionelle Hilfe anzunehmen. Therapeut:innen oder Familien- und Partnerberatungsstellen können eine gute Anlaufstelle sein. Auch Selbsthilfegruppen geben Hilfestellungen: Gespräche und Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen können Verständnis schaffen und Erleichterung bringen.

Auch bei den ganz praktischen Dingen des Alltags können Sie sich Hilfe suchen. In welchen Bereichen benötigen Sie am dringendsten Unterstützung?

  • Haushaltshilfe
  • Ambulante Pflege oder Tagespflege
  • Kinderbetreuung
  • Fahrdienst

Es gibt außerdem weitere Services, die Sie möglicherweise entlasten,
zum Beispiel Bringdienste für Lebensmittel oder Getränke, Hundesitter oder Nachbarschaftshilfen.

Bei Pflegestützpunkten in Ihrer Nähe erhalten Sie unabhängige Beratung rund um Ihre Fragen zu den Themen Pflege, Versorgung, Betreuung und weitere Unterstützung.

Was kann ich tun, wenn die Erkrankung meine:n Liebste:n völlig verändert?

Schmerz verändert Menschen. Sie müssen vielleicht gemeinsame Pläne ändern oder aufgeben, Ihre Freizeit anders gestalten, Ihr Alltag ordnet sich der Krankheit unter. Statt Ehefrau, Partnerin, Schwester, Bruder oder Tochter und Sohn sind Sie in erster Linie Pflegekraft, Chauffeur:in, Versorgende:r, vielleicht sogar Alleinverdiener:in oder einzige:r Ansprechpartner:in für die Kinder und für alle organisatorischen Fragen rund um Haushalt und Familienleben verantwortlich.

Vielleicht hilft Ihnen der Gedanke, dass Belastungen an sich nicht ungewöhnlich sind, in jeder Beziehung. Ob Haushalt, Beruf, Finanzen, Kinderplanung – die meisten Paare machen Phasen durch, in denen es „nicht läuft“. Man kann diese Durststrecken besser überstehen, wenn man Probleme ehrlich anspricht und sich frühzeitig externe Hilfe sucht. Sprechen Sie mit Ihrer Partnerin bzw. Ihrem Partner darüber, was Sie belastet.

In der Zwischenzeit kann es helfen, sich auf schönere Zeiten zu konzentrieren: Welche innigen Erinnerungen teilen Sie? Was lieben Sie aneinander, was verbindet Sie beide? Welche Hobbys können Sie weiterhin gemeinsam ausüben? Können Sie Auszeiten einrichten, eine Paarzeit, die nur Ihnen gehört?

An manchen Tagen fällt es Ihnen möglicherweise schwer, aber Ihr:e Angehörige:r benötigt Mitgefühl und Teilnahme. Die starke Belastung durch die andauernden Schmerzen zu bewältigen, ist eine ständige Herausforderung. Das gilt besonders bei Schmerzen, für die bisher keine Ursache diagnostiziert wurde, oder solche, die chronisch geworden sind. Chronische Schmerzen halten länger an, als die akute Ursache, zum Beispiel eine Verletzung oder eine Operation, vermuten lassen würde. So erzählt ein Betroffener von den Folgen eines Sportunfalls: Der Kreuzbandriss ist längst verheilt, aber die Schmerzen sind immer noch da.

Nimmt der Schmerz Ihr gesamtes Leben und die Beziehung zueinander in Beschlag, kann sich dies sogar negativ auf die Gesundheitssituation und die Genesung Ihrer oder Ihres Angehörigen auswirken. (3) Umgekehrt haben auch Sie Verständnis nötig.

Auch Digitale Gesundheitsanwendungen, die sofort zugänglich sind und eigenständig angewendet werden, bieten eine Behandlungsoption. Die Kosten dieser sogenannten DiGA werden nach Verordnung durch Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen von den Krankenkassen übernommen. Sie haben auch die Möglichkeit, direkt bei Ihrer Krankenkasse dazu nachzufragen. Der Online-Kurs von Selfapy bietet Unterstützung bei chronischen Schmerzen und Rückenschmerzen, ist flexibel durchführbar und kostenfrei auf Rezept erhältlich.

Möglicherweise hat Ihr:e Partner:in bereits die Absicht, eine Psychotherapie zu beginnen, um Schmerzen oder Begleiterscheinungen wie Depressionen zu behandeln, wartet aber noch auf einen Therapieplatz. In dieser Zeit können Onlinekurse Betroffene auf ihrem Weg unterstützen. Sie wirken darüber hinaus ergänzend auch während einer Psychotherapie.

Wie gehe ich mit meiner oder meinem depressiven Partner:in um?

Patient:innen mit chronischen Schmerzen leiden häufig auch an depressiven Verstimmungen, Ängstlichkeit, Antriebslosigkeit, Nervosität, Anspannung, gedrückter Stimmung. Diese Auswirkungen der Erkrankung sind oft mit sozialem Rückzug verbunden. Schätzungen gehen davon aus, dass jede:r zweite Betroffene mit chronischen Schmerzen Begleiterscheinungen wie diese zumindest phasenweise erlebt. (4) Gleichzeitig können sie Auslöser der dauerhaften Schmerzen sein oder diese verstärken. (4)

Schmerz und Psyche sind also eng miteinander verbunden. Deshalb ist es wichtig, auf die psychische Gesundheit zu achten, um rechtzeitig zu erkennen, ob der Schmerz mit Depressionen oder Ängsten einhergeht. Dabei können Sie als Angehörige:r helfen und wichtige Impulse geben, beispielsweise dazu, die Ärztin oder den Arzt auf das Thema anzusprechen.

Das Zurückziehen betrifft häufig auch Sie; Kontakte zu Freund:innen, Nachbarn und Bekannten leiden. Das muss aber nicht sein: Mithilfe von externer Unterstützung, beispielsweise eines Babysitters oder einer Tagespflege, schaffen Sie sich Freiräume, um weiterhin Ihre Freundschaften und Familienbande pflegen zu können.

Bindungen sind nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre:n Partner:in wichtig, da sie großen Einfluss auf Gesundheit und Wohlergehen haben. (3) Schlagen Sie daher Aktivitäten zu zweit oder mit anderen vor und lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Ihr:e Partner:in ablehnt.

Ich pflege meine:n Angehörige:n. Wer unterstützt mich?

Ihre Bedürfnisse sind wichtig: Ihr Beruf, Ihre Hobbys, Ihre Freizeit, Ihre Freunde – die Dinge, die Ihnen Freude machen. Wenn Sie sich völlig aufgeben, tun Sie damit weder sich selbst noch Ihrer bzw. Ihrem Angehörigen und anderen Menschen, denen Sie wichtig sind, einen Gefallen. Nehmen Sie daher Zeit für sich.

Vielleicht tut Ihnen der Austausch mit anderen gut, die in einer ähnlichen Lage sind. Angehörige von Schmerzpatient:innen finden Sie zum Beispiel in lokalen Selbsthilfegruppen oder auch in Onlineforen.

Pflegende Angehörige erhalten außerdem Rat und Informationen zu Hilfsangeboten bei:

Wie erklären wir die Situation unseren Kindern?

Kinder spüren, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Es würde sie verunsichern, wenn Erwachsene ihnen vermitteln, dass ihr Eindruck sie täuscht. Besprechen Sie deshalb so offen wie möglich mit Ihren Kindern, was die Schmerzerkrankung bedeutet und welche Auswirkungen sie haben kann. Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie mit den jüngsten Familienmitgliedern über chronische Schmerzerkrankungen reden können, holen Sie (kinder-)therapeutische Beratung hinzu.

Psychologisch geschulte Unterstützung kann auch Ihren Kindern helfen: Möglicherweise fällt es ihnen leichter, sich einer bzw. einem Ansprechpartner:in anzuvertrauen, der oder die nicht zum Familienkreis gehört. Mit einer externen Bezugsperson besprechen sie unter Umständen familiäre Probleme eher, vor allem wenn die Erkrankung eines Elternteils die Ursache der Schwierigkeiten ist.

Anregungen für das Gespräch mit Ihren Kindern finden Sie in diesem Video des Deutschen Kinderschmerzzentrums und der Deutschen Schmerzliga (e. V.). Der zehnminütige Clip erklärt kindgerecht, was chronische Schmerzen sind, welche Auswirkungen diese haben und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

 

Quellen:

(1) Schmerzzentrum Uniklinikum Erlangen. Informationen für Angehörige. Online unter https://www.schmerzzentrum.uk-erlangen.de/patienten/schmerz-kompass/11-informationen-fuer-angehoerige/. Zuletzt abgerufen am 08.05.2023.
(2)Hilfe für mich. Ratgeber Schmerz. Hilfe für Angehörige. Online unter https://www.hilfefuermich.de/schmerz/ratgeber/hilfe-fuer-angehoerige#rat-und-hilfe. Zuletzt abgerufen am 23.10.2022.
(3) Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Schmerz und Partnerschaft. Online unter https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/besonderheiten-bei-schmerz/schmerz-und-partnerschaft. Zuletzt abgerufen am 08.05.2023.
(4) Immanuel Klinik Rüdersdorf. Antidepressiva in der Schmerztherapie – Antidepressiva als Schmerzmittel. Online unter https://ruedersdorf.immanuel.de/abteilungen/schmerzzentrum/leistungen/behandlungsmoeglichkeiten/antidepressiva-in-der-schmerztherapie/. Zuletzt abgerufen am 23.10.2022.