Depression und chronischer Schmerz

Depression und chronischer Schmerz: Woher kommen die Beschwerden und was können Betroffene tun?

Depression und chronische Schmerzen: Diese beiden Erkrankungen können zusammenhängen und erschweren Betroffenen, ihren Alltag zu bewältigen. (1) Wie kann eine Depression durch Schmerzen entstehen? Was können Menschen mit einer Schmerzdepression tun? Diese und andere Fragen beantworten wir in diesem Artikel.

Depression und Schmerz: Stark belastet, häufig missverstanden – aber das muss nicht so sein

Depressionen werden häufig missverstanden – wie die meisten Erkrankungen, die Geist und Seele betreffen. Das liegt vielleicht daran, dass sie schwerer begreifbar sind, anders als auf den ersten Blick erkennbare Verletzungen oder Beschwerden, die so gut wie jede:r bereits selbst erlebt hat, wie etwa Magenverstimmungen. (2)

Viele Betroffene vermeiden daher, ihr Umfeld über ihre Erkrankung zu informieren und versuchen ihren Alltag trotz Depression so normal wie möglich zu bestreiten, obwohl die Erkrankung es ihnen erschwert. (3)

Jeder fünfte Arbeitnehmende hat schon einmal die Diagnose Depression erhalten. (4) Schätzungen gehen davon aus, dass jeder zweite Betroffene mit chronischen Schmerzen zumindest phasenweise unter Depressionen leidet. Die Erkrankung ist also keine Seltenheit. Neben der individuellen Belastung hat sie auch enorme gesellschaftliche Relevanz, unter anderem aufgrund einer hohen Rate beruflicher Fehltage und Frühverrentung aufgrund von Depressionen. (5)

Digitale Schmerztherapie bei Schmerzen

Doppelte Belastung: chronische Schmerzen und Depression

Wer an einer Depression leidet, kämpft außerdem häufig mit folgenden Symptomen (6):

  • Antriebslosigkeit
  • Müdigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Schlaf- und Appetitstörungen
  • Schmerzen

Menschen mit einer chronischen Schmerzerkrankung haben nicht nur ein höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken: Wenn dies geschieht, müssen sie ihren Alltag sowohl mit den Einschränkungen durch die dauerhaften Schmerzen als auch mit den Folgen der Depression meistern. (7)

Wie hängen Depression und Schmerz zusammen?

Warum sind besonders Patient:innen mit chronischen Schmerzen und solche, bei denen der Schmerz auf keine klare Ursache zurückzuführen ist, wie bei der somatoformen Schmerzstörung [LINK], gefährdet, eine Depression zu entwickeln?

Erklärt wird dies einerseits durch das Gefühl der Hilflosigkeit. (8) Bei einer chronischen Schmerzerkrankung [LINK zu 3.3] stellen sich viele Fragen, z. B.:

Die eingeschränkte Möglichkeit, Sport zu treiben oder an Aktivitäten mit Freunden teilzunehmen, aber auch schmerzbedingte Schlafstörungen, erhöhen das Risiko, an einer Depression zu erkranken. (9)

Wer ist stärker gefährdet, an einer Depression zu erkranken?

Laut der Nationalen Versorgungsleitlinie Depression gibt es verschiedene Risikofaktoren, die bedingen, dass jemand eher an einer Depression erkrankt. (5) Hierzu gehören:

  • Das Geschlecht: Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer.
  • Das Alter: Je höher es ist, desto mehr häufen sich depressive Erkrankungen.
  • Der Status der persönlichen Beziehungen: Eine enge, vertraute Beziehung schützt nachweislich vor einer Depression. Dabei kann es sich sowohl um elterliche, partnerschaftliche oder freundschaftliche Verbindungen handeln.
  • Der Wohnort: Depressionen treten bei Städter:innen eher auf als bei Menschen, die auf dem Land wohnen.
  • Sonstige Lebensumstände, wie Jobsicherheit, Einkommen und Wohnsituation
  • Andere Erkrankungen: Menschen mit einer bereits bestehenden chronischen Erkrankung, beispielsweise Diabetes, Colitis ulcerosa oder chronischen Schmerzen, tragen ein höheres Risiko einer depressiven Erkrankung.

Wie können Schmerzpatient:innen einer Depression vorbeugen?

Insbesondere bei chronischen Schmerzen ist es wichtig, langanhaltenden Stress zu vermeiden oder zu reduzieren. Der Körper reagiert auf eine Stresssituation mit der Freisetzung von Stresshormonen, damit Energiereserven freigesetzt werden. Lang andauernde belastende Ereignisse oder psychische Überforderungen können jedoch zu negativem Stress führen und somit zu erhöhter Anspannung und Dauerstress, was wiederum die Entstehung von depressiven Zuständen begünstigt. (10) Stress abzubauen kann daher sowohl gegen die Schmerzen als auch gegen Depressionen förderlich sein.

Was hilft bei Depression und chronischen Schmerzen?

Wichtig ist, sich – ebenso wie anderen – klarzumachen, dass es sich bei einer Depression nicht um eine Befindlichkeitsstörung, sondern um eine schwerwiegende Erkrankung handelt. Durch Unwissenheit werden Betroffene mit Sätzen wie „Stell dich nicht so an“ oder „Wird schon wieder, du musst einfach mal wieder mehr Sport machen“ konfrontiert. Solche zwar meist gut gemeinten Ratschläge helfen nicht weiter, können im Gegenteil weiteren Rückzug bewirken. Notwendig ist vielmehr professionelle Hilfe von Spezialist:innen und ein verständnisvolles, über die Erkrankung gut informiertes Umfeld. (11)

Die hausärztliche Praxis ist erste Anlaufstelle, in vielen Fällen erweist es sich allerdings als sinnvoll, Facharztpraxen aufzusuchen, die auf die Behandlung von Schmerzen oder psychosomatischen Erkrankungen spezialisiert sind.

Wurde die Depression durch Schmerzen ausgelöst, fördert die Schmerztherapie in der Regel auch eine Verbesserung des depressiven Zustands. Bei leichter bzw. mittelgradiger Depression kann bereits eine Psychotherapie Fortschritte erzielen, das heißt eine kognitive Verhaltenstherapie [LINK zu 3.17], tiefenpsychologische Psychotherapie, Psychoanalyse oder systemische Therapie. Nur bei schwerer Depression wird unbedingt eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung empfohlen. (Quelle: Abschnitt unter dem Text) Patient:innen können außerdem von begleitenden Maßnahmen profitieren, wie Sport-, Licht- oder Kunsttherapien. (5)

Auch Digitale Gesundheitsanwendungen, die sofort zugänglich sind und eigenständig angewendet werden, bieten eine Behandlungsoption. Die Kosten dieser sogenannten DiGA werden nach Verordnung durch Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen von den Krankenkassen übernommen. Sie haben auch die Möglichkeit, direkt bei Ihrer Krankenkasse dazu nachzufragen. Der Online-Kurs von Selfapy bietet Unterstützung bei chronischen Schmerzen und Rückenschmerzen, ist flexibel durchführbar und kostenfrei auf Rezept erhältlich.

Wenn Angehörige an Schmerzdepressionen leiden

Sind Partner:in, Familienangehörige oder Freund:innen von chronischen Schmerzen und  Depressionen betroffen, stellt dies auch eine große Herausforderung und Belastung für ihr Umfeld dar. Es leidet häufig mit. Auch für das Umfeld ist daher professionelle Hilfe und Rücksichtnahme wichtig.

Sind Sie sich nicht sicher, ob Sie selbst oder eine Ihnen nahestehende Person an einer Depression erkrankt ist? Oder ist eine Person aus Ihrem nächsten Umfeld depressiv und der Umgang damit überfordert Sie? Suchen Sie sich in jedem Fall Unterstützung. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hat hier Informationen für Patient:innen mit Depressionen zusammengestellt; Angehörige können sich auf dieser Seite ebenfalls informieren.

 

Quellen:

(1) Prof. Dr. med Thomas Tölle, Prof. Dr. med Christine Schiessl (Herausgeber). Das Handbuch gegen den Schmerz. ZS Verlag GmbH, 2019. S. 28.
(2)
Gabriele Pitschel-Walz. Lebensfreude zurückgewinnen – Ratgeber für Menschen mit Depressionen und deren Angehörige. Urban & Fischer, 2018. S. 5.

(3)
Ebd. (Vorwort).

(4)
Deutschland-Barometer Depression: Jeder fünfte Beschäftigte erkrankte an einer Depression. Online unter https://www.deutsche-depressionshilfe.de/forschungszentrum/deutschland-barometer-depression. Zuletzt abgerufen am 25.10.2022.

(5)
Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression (2022). Langfassung, Version 3.0. Online unter www.leitlinien.de/themen/depression. S. 18 –19. Zuletzt abgerufen am 25.10.2022.

(6)
Gabriele Pitschel-Walz. Lebensfreude zurückgewinnen – Ratgeber für Menschen mit Depressionen und deren Angehörige. Urban & Fischer, 2018. S. 9.
(7) Sabine März-Lerch. Wenn der Körper die Seele krankmacht. Online unter www.br.de/radio/bayern2/wenn-der-koerper-die-seele-krankmacht-100.html. Zuletzt abgerufen am 25.10.2022.

(8)
Prof. Dr. med Thomas Tölle, Prof. Dr. med Christine Schiessl (Herausgeber). Das Handbuch gegen den Schmerz. ZS Verlag GmbH, 2019. S. 24–25.

(9)
Ebd. S. 28.

(10)
Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz - Info Gesundheit e. V. Wechselwirkung Stress und Depression. Online unter https://www.bgv-depression.de/impressum.html. Zuletzt abgerufen am 08.05.2023.
(11) Gabriele Pitschel-Walz. Lebensfreude zurückgewinnen – Ratgeber für Menschen mit Depressionen und deren Angehörige. Urban & Fischer, 2018. S. 5–6.