Leben mit Dauerschmerz

Leben mit Dauerschmerz: Wie geht das eigentlich?

Erfahren Sie, was Sie selbst in Ergänzung zu Ihrer Therapie tun können, um mit den Schmerzen zu leben. Denn chronische Schmerzen wirken sich nicht nur auf die Lebensqualität aus, sondern können viele Bereiche des Alltags beeinträchtigen: Arbeitsausfälle, vorzeitige Rente, Einschränkungen bei alltäglichen Aktivitäten, Depressionen und sozialer Rückzug sind mögliche Folgen.

Es gibt viele Möglichkeiten, mit Schmerzen umzugehen

Es ist wichtig, Mechanismen zu kennen, mit deren Hilfe Sie Ihre Schmerzen aushalten und lernen können, mit den Schmerzen zu leben. Denn durch die Erkrankung „Chronische Schmerzen“ entsteht neben dem persönlichen Leid der Betroffenen auch ein hoher wirtschaftlicher Schaden.  (1) Für die Therapie von Rückenschmerzen allein fallen in Deutschland bis zu 53 Milliarden Euro jährlich an. Diese Summe beinhaltet direkte Kosten, beispielsweise für Behandlungen oder Reha, sowie indirekte, wozu Arbeitsausfälle und Produktivitätseinbußen gehören. (2) Umso größer sollte das gesamtgesellschaftliche Interesse sein, die Versorgung und damit auch die Lebensqualität von Schmerzpatient:innen zu verbessern. Stattdessen stoßen Menschen mit chronischen Schmerzen häufig auf fehlende Akzeptanz sowie Mängel in Erforschung und Versorgung von chronischem Schmerz, oder sie werden über- oder unterversorgt. (1)

Digitale Schmerztherapie

Die Erkrankung kann viele Bereiche Ihres Lebens beeinträchtigen – Ihre Bedürfnisse, Ihren Beruf, Ihre Erholung, Ihre Psyche, Ihre Partnerschaft, Ihre Prioritäten – ebenso wie Ihre Angehörigen, die lernen müssen, mit der Erkrankung und den Veränderungen, die sie mit sich bringt, umzugehen. Bleiben Sie offen gegenüber Ihrer Familie und Ihren Freunden, bleiben Sie in Verbindung. Die Zeit ist nicht leicht für Sie, aber auch Ihr Umfeld benötigt Unterstützung. Informationen für Angehörige von Schmerzpatient:innen haben wir hier zusammengestellt. 

Es gibt darüber hinaus viele Möglichkeiten, die Ihnen auch selbst dabei helfen können, mit den Schmerzen leben zu lernen. Mithilfe unterschiedlicher Therapien können Schmerzen abgemildert werden, so bezieht beispielsweise die multimodale Schmerztherapie verschiedene Bereiche Ihres Lebens in die Behandlung mit ein.

Auch Digitale Gesundheitsanwendungen, die sofort zugänglich sind und eigenständig angewendet werden, bieten eine Behandlungsoption. Die Kosten dieser sogenannten DiGA werden nach Verordnung durch Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen von den Krankenkassen übernommen. Sie haben auch die Möglichkeit, direkt bei Ihrer Krankenkasse dazu nachzufragen. Der Online-Kurs von Selfapy bietet Unterstützung bei chronischen Schmerzen und Rückenschmerzen, ist flexibel durchführbar und kostenfrei auf Rezept erhältlich.

Viele weitere Tipps zum Umgang mit Schmerzen lesen Sie unten.

Sie sind nicht allein

In Deutschland leben 23 Millionen Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden. (3) Am häufigsten äußern sich diese in Rücken- und Kopfschmerzen. (1) Auf der Website https://www.hilfefuermich.de/schmerz finden Sie weiterführende Informationen zu Schmerzerkrankungen, Diagnose und Therapie.

Zudem haben Sie auch die Möglichkeit, Patientenveranstaltungen zum Thema zu besuchen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Auf https://www.hilfefuermich.de/schmerz/anlaufstellen-4 sind die aktuellen Veranstaltungstermine sowie verschiedene Anlaufstellen aufgeführt.

Schmerzen aushalten oder Schmerzmittel nehmen?

Sie möchten etwas unternehmen, zur Arbeit gehen, sich wohlfühlen: Der Griff zu einem Schmerzmittel liegt nahe, wenn man kurzfristig funktionieren will. Gerade Patient:innen mit Rückenschmerzen wird häufig statt einer multimodalen Schmerztherapie nur ein schmerzstillendes Medikament verordnet. (1) Besser ist es in vielen Fällen jedoch, verschiedene Therapieansätze zu kombinieren – Psycho- und Physiotherapie mit einer medikamentösen oder falls nötig auch operativen Behandlung.

Wichtig: Sollten Schmerzmittel nicht (mehr) wirken, sollten Sie dringend Ihre hausärztliche Praxis aufsuchen.

Umgang mit Schmerzen: Was können Sie selbst tun?

Jede Schmerzerkrankung ist unterschiedlich, und jede:r Patient:in empfindet die Belastungen durch die dauerhaften Beschwerden anders. Dennoch gibt es einige Maßnahmen, die häufig empfohlen werden und auch Ihnen guttun können.

Wir stellen Ihnen hier verschiedene Empfehlungen vor – finden Sie selbst heraus, welche für Sie die richtigen sind, und besprechen Sie mit Ihrer Ärztin bzw. Ihrem Arzt, was diese Ihnen raten. Wichtig ist: Sollten sich Ihre Schmerzen stark verschlimmern, an Stellen auftreten, die bisher beschwerdefrei waren, oder weitere schwerwiegende Symptome hinzukommen, sollten Sie diese Entwicklung unbedingt ärztlich abklären lassen!

Kommunikation auf Augenhöhe

Es ist wichtig, dass Sie sich ernst genommen fühlen von Ihrem Umfeld und von Ihren Ärzt:innen. Nur so können Sie auf Augenhöhe über Ihre Behandlung mitentscheiden und gemeinsam mit Ärzt:innen und Therapeut:innen einen Weg finden, mit den Schmerzen und Veränderungen in Ihrem Leben umzugehen.

Bewegung

Es mag zunächst paradox klingen, aber Bewegung tut in der Regel gut, selbst oder besonders bei Schmerzen des Bewegungsapparates wie Rückenschmerzen. Sich nun extra zu schonen und auf Sport zu verzichten, ist genau der falsche Weg. Ihr Körper braucht moderate Fitnessübungen, und es tut ihm gut, wenn Sie die Durchblutung ankurbeln und Ihre Muskeln stärken. Suchen Sie sich dafür eine Sportart, die Ihnen Freude macht (am besten sind moderate Ausdauersportarten wie Schwimmen, Radfahren oder Walking) und besprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, welche Übungen bei Ihren Beschwerden besonders geeignet sind.

Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass Sie möglicherweise Gewicht verlieren. Auch das entlastet Ihren Organismus.

Ernährung

Besprechen Sie mit Ihren Ärzt:innen oder professionellen Ernährungsberater:innen, ob eine Ernährungsumstellung in Ihrem Fall sinnvoll ist und es ggf. sogar Lebensmittel gibt, auf die Sie vollständig verzichten sollten.

Einen neuen Rhythmus finden

Möglicherweise können Sie bestimmte Anforderungen nicht mehr so erledigen, wie früher. Ihre Prioritäten haben sich verschoben, und was vor der Erkrankung selbstverständlich war, passt mittlerweile einfach nicht mehr. Was können Sie stattdessen tun? Welche Mechanismen erleichtern Ihnen die tägliche Arbeit? Wie können Sie Ihre Freizeitaktivitäten anpassen? Antworten auf diese Fragen helfen Ihnen, wenn Sie das Gefühl haben, dass die Schmerzen Ihren Alltag kontrollieren. Und „nichts mehr geht“, was Ihnen vorher wichtig war.

Atmung

Bestimmte Atemtechniken können helfen, wenn sich eine Schmerzattacke ankündigt. Im Rahmen von Bewegungstherapien oder in Yoga- und Tai-Chi-Kursen erlernen Sie Methoden, die Beschwerden durch Atmung positiv zu beeinflussen.

Techniken zur Entspannung und Stressbewältigung

Diese lernen Sie u. a. während einer Psycho- oder Physiotherapie.(4) Suchen Sie aber auch selbst nach Ihrer ganz individuellen Methode, um abzuschalten. Das kann ein tägliches Ritual sein, sich an der frischen Luft bewegen, musizieren, backen, ein Bad nehmen, eine kurze Auszeit nehmen, in der Sie Handy und Rechner abschalten …

Ablenken

Es ist okay, sich ablenken zu wollen, und (fast) alles ist erlaubt. Wer oder was inspiriert Sie, bringt Sie zum Lachen, lässt Sie die Schmerzen für eine Weile vergessen? Eine heiß geliebte Serie? Witzige Videoclips bei TikTok? Ein (ent)spannendes Buch? Ihr Garten? Ihr persönlicher Wohlfühl-Rückzugsort kann Ihnen helfen, die Schmerzen zumindest eine Zeit lang zu ignorieren.

Für sich sorgen

Die Schmerzen erschöpfen Sie? Dann zwingen Sie sich zu nichts. Nehmen Sie sich die Pausen, die Sie benötigen, und erledigen Sie Aufgaben in Ihrem Rhythmus.

Familie, Freunde, Hobbys

Sie tun Ihnen gut. Wenn eine frühere Freizeitbeschäftigung sich aufgrund der Erkrankung nicht mehr ausüben lässt, finden Sie Alternativen. Suchen Sie Kontakt zu Menschen in ähnlicher Situation. Hier können Sie sich nach Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe erkundigen. [LINK zu www.nakos.de] Tipps für Angehörige haben wir hier zusammengestellt.

Ein (Schmerz-)Tagebuch führen

Um den Schmerzen auf die Spur zu kommen und ein effektives Schmerzmanagement aufzubauen, kann ein Schmerztagebuch helfen. Darin notieren Sie, wann und wo die Schmerzen auftreten, wie sie sich anfühlen (pochend, stechend, ziehend etc.), ob bestimmte Situationen immer wieder zu Beschwerden führen, welche Maßnahmen Sie ergreifen und ob diese wirken oder nicht. So können Sie Situationen vermeiden, die Ihre Beschwerden triggern, und herausfinden, was Ihnen hilft.

Auch „Selfapys Online-Kurs bei chronischen Schmerzen“ führt Sie in einer der Kurslektionen in die Verwendung eines solchen Schmerztagebuchs ein, das Ihnen dabei hilft, die eigenen Schmerzmuster zu erkennen und zu dokumentieren.

Extra-Tipp: Führen Sie parallel zum Schmerztagebuch ein Tagebuch, in das Sie nur Highlights eintragen, also Dinge, die Sie erlebt und die Sie glücklich gemacht haben. Auch daraus kann ein Ritual werden: Wenn Sie beispielsweise am Abend eintragen, wofür Sie an diesem Tag dankbar sind.

Psychische Belastungen verarbeiten

Chronische Schmerzen können durch psychologische Probleme verursacht oder verstärkt werden. „Zu viel am Hals haben“, „das schlägt mir auf den Magen“, „eine Last auf den Schultern tragen“ –Redewendungen wie diese deuten auf die Vielfalt von Belastungen hin, die wortwörtlich Schmerzen in den betreffenden Körperregionen auslösen können. Wichtig ist daher auch, zu prüfen und zu verstehen, ob mögliche emotionale Belastungen hinter den Schmerzen stecken können. Insbesondere wenn die Erkrankung bei Ihnen Ängste, Bitterkeit oder Niedergeschlagenheit auslöst, ist es wichtig, wieder Kontrolle und Selbstwirksamkeit zurückzuerlangen sowie mögliche Ängste abzubauen und zu verarbeiten.

Hilfe annehmen

Sie müssen die Erkrankung nicht allein durchstehen. Es ist vollkommen in Ordnung, um Unterstützung zu bitten.

Die Erkrankung akzeptieren

Es ist möglich, dass Ihr Leben nicht mehr so wird wie vor der Erkrankung. Schmerzen und der Umgang damit gehören nun zu Ihrem Alltag. Es kann trotz einer guten individuellen Therapie Rückschläge geben. Seinen Frieden mit diesen Belastungen zu machen, kann Ihnen helfen, nach vorn zu schauen und Energie für das Leben mit Schmerz zu gewinnen.

Unter https://www.hilfefuermich.de/schmerz/ratgeber/leben-mit-der-erkrankung#leben-mit-schmerzen finden Sie weiterführende Informationen und Empfehlungen zu den Schwerpunkten Freizeit, Bewegung/Sport sowie Ernährung und Partnerschaft.

Wie Sie mit Herablassung, mangelnder Rücksicht oder gut gemeinten Ratschlägen umgehen können

Wird Ihnen häufig gesagt, Sie müssten nur Ihre Einstellung ändern, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen? Raten Bekannte Ihnen, positiv zu denken oder haben sie Tipps, wie Sie die Schmerzen bekämpfen können? Ist Ihre Familie enttäuscht, weil Sie eingeschränkt sind oder keine Ursache für Ihre Beschwerden gefunden werden kann? [LINK zu 3.19] Oder werden Sie umgekehrt so sehr umsorgt, dass Ihnen die Eigenständigkeit verloren geht?

Erfahrungen wie diese können Geduld und Nerven stark beanspruchen.

Rufen Sie sich folgende Dinge ins Bewusstsein:

  • Man sieht Ihnen Ihre Erkrankung nicht an. Für Umstehende ist es daher möglicherweise schwieriger, Verständnis aufzubringen oder in der Hektik des Alltags überhaupt daran zu denken, dass Sie mit einer besonderen Belastung leben.
  • Ihre Liebsten haben den verständlichen Wunsch, Sie zu unterstützen und Ihnen zu zeigen, wie sehr sie sich um Sie sorgen.
  • Manchmal wird diese (selbst gestellte) Anforderung zu groß, und Angehörige reagieren unwirsch.
  • Menschen, die nicht mit chronischen Beschwerden leben, fällt es möglicherweise schwer, nachzuvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn Schmerzen jeden Bereich des Alltags durchdringen, ihn quasi kontrollieren.

Haben Sie daher Nachsicht mit Ihren Bekannten, Arbeitskolleg:innen und Nachbar:innen. Das bedeutet andererseits nicht, dass Sie sich alles gefallen lassen müssen: Weisen Sie darauf hin, dass Sie die meisten Behandlungsvorschläge bereits kennen, vielleicht sogar bereits hinter sich haben und dass Sie sich mit Ihrer individuellen Situation selbst am besten auskennen. Zögern Sie nicht, das Thema zu wechseln, wenn Sie nicht über Ihre Erkrankung sprechen möchten.

Mit Ihrer Familie und mit engen Freund:innen können Sie offen reden: Was benötigen Sie? Was fühlt sich gut an, was nicht? Was erwarten Ihre Angehörigen, was können Sie gemeinsam tun, um die Situation für alle erträglich zu machen?

Wenn Sie sich nicht mehr erklären möchten oder weiterhin auf Unverständnis stoßen, können Sie auf Lese- oder Hörtipps verweisen:

 

Quellen:


(1) Markus Dietl, Dieter Korczak. HTA-Bericht 111. Versorgungssituation in der Schmerztherapie in Deutschland im internationalen Vergleich hinsichtlich Über-, Unter- oder Fehlversorgung. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), 2011. S. 22.
(2) Gesundheitsökonomische Aspekte von Rückenschmerzen, Damm et al. (2016); Costs of back pain in Germany, Wenig et al. (2008), zitiert nach: IKK e.v. Rückenschmerzen in Zahlen. Online unter https://www.ikkev.de/politik/gkv-in-zahlen/rueckenschmerzen/. Zuletzt abgerufen am 20.04.2023.
(3) Hilfe für mich. Sind chronische Schmerzen ein eigenes Krankheitsbild? Online unter https://www.hilfefuermich.de/schmerz/ratgeber/1x1-der-erkrankung#schmerz. Zuletzt abgerufen am 03.03.2023.
(4) Deutsche Schmerzgesellschaft e. V.: Physiotherapie, Ergotherapie und physikalische Verfahren. Online unter https://www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/patienteninformationen/physiotherapie-und-physikalische-verfahren/spezielle-schmerzphysiotherapie-und-ergotherapie. Zuletzt abgerufen am 20.04.2023.